Die Umstellung auf eine Phosphorrückgewinnung stellt hohe Anforderungen an die Kommunen und Kläranlagen. Das Schaffen der nötigen Infrastruktur für Entwässerung, Trocknung und Verbrennung stellt die Kläranlagen vor weitreichende Investitionsentscheidungen. Diese sind aber nicht nur auf der einzelnen Anlage, sondern im Gesamtkontext zukünftiger Entwicklungen und Anforderungen zu treffen. Begleitend zum Aufbau der Klärschlammmonoverbrennungsanlage der Kommunalen Nährstoffrückgewinnung Niedersachsen GmbH (KNRN) in Hildesheim befasst sich das Projekt SATELLITE mit der Umstellung der einzelnen Kläranlagen im südlichen Niedersachsen und einer optimierten Bewirtschaftung im Gesamtverbund. Betrachtet werden demnach die der Verbrennung und Phosphorrückgewinnung vor- und nachgelagerten Prozesse unter Berücksichtigung der Integration regionaler Nährstoff- und Energiequellen. Zur Unterstützung wird ein modellbasierter Ansatz entwickelt, der es erlaubt, vielfältige Verfahrensweisen zu vergleichen und ein Optimum für einzelne Anlagen oder ganze Anlagenverbünde zu finden sowie ein optimiertes Schlammmanagement im Gesamtverbund zu etablieren. Managementziele sind hierbei eine optimale Schlammqualität (Heizwert, P-Gehalt) zum optimalen Zeitpunkt (gleichmäßige Auslastung der Verbrennung) mit geringstem Umwelt-Impact (CO2e, Transport) bei gleichzeitig positiver Bilanz für die anliefernden Kläranlagen.
Hintergründe zum Projekt
Das SATELLITE-Projekt betrachtet die Umstellung hin zur Phosphorrückgewinnung auf drei Ebenen, die alle unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen. Auf der obersten Ebene wird der Gesamtverbund der gemeinsam entsorgenden Kläranlagen betrachtet. Auf der nächsten Ebene werden Unterverbünde einzelner Kläranlagen und deren spezielle Anforderungen betrachtet. Die niedrigste Ebene stellt die einzelne Kläranlage oder ein einzelnes Verfahren dar.
Beispielhaft werden die einzelnen Fragestellungen auf verschiedenen Kläranlagen groß- und halbtechnisch untersucht, wobei zwischen Regionalen Zentren (KA > 50.000 EW) und kleineren Satellitenanlagen unterscheiden wird. Am Beispiel der Kläranlage Hildesheim als regionales Zentrum wird die thermophile Hochlastfaulung unter Einbezug von Co-Substraten großtechnisch untersucht. Ebenso wird hier eine Vorversäureung des Primärschlamms erprobt. Mit direkter Nähe zur KNRN wird auf der Kläranlage Hildesheim bei der Umrüstung alter Standeindicker zu einer Teilstrombehandlung mittels Deammonifikation auch der Verbleib der Brüdenkondensate betrachtet.
Auf mehreren Kläranlagen des Landkreises Nienburg wird stellvertretend für kleinere Satellitenanlagen eine Phosphorausschleusung über den Schlamm auf der Kläranlage selbst untersucht. Auf der Kläranlage Pattensen wird die Umstellung von einer aeroben Schlammstabilisierung auf eine Teilstabilisierung großtechnisch erprobt. Hiermit wird ein im Schlamm enthaltenes Energiepotenzial bei gemeinsamer Faulung verschiedener Schlämme nutzbar gemacht. Außerdem wird in Pattensen auch die Abscheidung von Primärschlamm über ein Trommelsieb erprobt, die ein zusätzliches Energiepotential nutzbar macht. Als Einzelverfahren werden die Klärschlammtrocknung mit sequenziellem Brüdenabzug zur Stickstoffrückgewinnung in Hildesheim und die Düngemittelherstellung on-demand in Hünxe halbtechnisch erprobt.
Als beispielhafter Unterverbund dient im SATTELITE-Projekt die Modellregion Nienburg und die im Landkreis ansässigen Kläranlagen. Hier wird die flexible Entwässerung der Schlämme mittels mobiler Zentrifuge und der Aufbau einer gemeinsamen zentralen Faulung untersucht. Auch das Konzept zur regionalen Nährstoffrückführung wird mit dem Aufbau eines Prototyps zur Nährstoffprognose und -bewirtschaftung in der Modellregion erarbeitet. Für den Gesamtverbund stehen Logistikstudien und die Schlammbewirtschaftung im Vordergrund. Zum optimierten Schlammmanagement wird ein hier ein Bewirtschaftungstool (OptiNETZ-Tool #live) erarbeitet.
Ebenen-übergreifend ist das modellgestützte Entscheidungsunterstützungs-Werkzeug zur strategischen Investitionsplanung (OptiNETZ-Tool #plan) ein Kernprodukt des SATELLITE-Projekts. Basis des Tools sind Verfahrensmodelle (Modellmodule), die es erlauben, unkompliziert verschiedene Verfahrensketten zu vergleichen und verschieden Bewertungsgrößen miteinzubeziehen. Sie werden im Projekt in einer Modulbibliothek gesammelt. Ein weiteres ebenen-übergreifendes Produkt ist das Energiemodell, mit dem sich durch Berechnen der Energieströme auf der einzelnen Anlage oder im Verbund ein energetisches Optimum finden lässt.
Das Entscheidungsunterstützungs-Werkzeug OptiNETZ-Tool #plan ist fertiggestellt und wurde schon erfolgreich zur Beratung in zwei verschiedenen Fällen auch außerhalb des SATELLITE-Projekts eingesetzt. Für die Modulbibliothek (Verfahrensmodelle) werden zurzeit neben den klassischen Verfahren der Abwasserbehandlung auch die in der RePhoR-Maßnahme entwickelten Verfahren aufgenommen. In verschiedenen Workshops, von denen der erste bereits stattfand, wird die Modulbibliothek und deren Anwendung nach außen getragen. Für die Entwicklung des Prototyps des Nährstoffmanagement-Tools ist der Aufbau der Bilanzierung und die Methodik zur Prognose des saisonalen Nährstoffanfalls abgeschlossen. Nun folgt die weitere softwareseitige Implementierung. Für die Logistik des Gesamtverbunds ist die Entwicklung des Transportcontainers sowie eines Logistikkonzepts abgeschlossen. Das Management-Tool zur optimierten Schlammbehandlung befindet sich zurzeit noch in Bearbeitung. Das Energiemodell konnte im Projekt schon in Fragen der dezentralen Trocknung in Göttingen eingesetzt werden und findet auch in Steyerberg Anwendung.
Die Annahme der Co-Substrate ist mittlerweile rechtlich abgesichert (Vereinbarkeit Wasser- und Abfallrecht) und der Bau entsprechend genehmigt. Das angefertigte Rechtsgutachten kann auch für andere Kläranlagen mit ähnlicher Problematik nützlich sein. Die thermophile Hochlastfaulung wird nach der Sanierung eines alten Faulbehälters in 2025 großtechnisch in Betrieb gehen. Der Umbau der Standeindicker zur Teilstrombehandlung befindet sich zurzeit in der Ausführungsplanung. Parallel wurden Brüdenkondensate von verschiedenen Anlagen mit Klärschlammtrocknung untersucht und teils sehr starke Hemmungen auf die Biologie beobachtet. Der Umgang mit dieser Hemmung und ein auf den Eingangsstrom angepasstes Steuer- und Regelkonzept werden zurzeit bearbeitet und das Betriebskonzept nach Inbetriebnahme der Deammonifikation großtechnisch erprobt. Die Versuche zur gezielten Brüdenausschleusung während der Klärschlammtrocknung sind abgeschlossen und zeigen ein hohes Potential für eine Stickstoffrückgewinnung, die gleichzeitig die Rückbelastung für die Kläranlage senkt. Ob die so geschaffene Ammoniaklösung direkt als Rohstoff für die Düngemittelherstellung eingesetzt werden kann, wird unteranderem an der Versuchsanalage zur Düngemittelherstellung on-demand untersucht.
Auf der Kläranlage Pattensen konnte das Trommelsieb erfolgreich zur Produktion eines energiereichen Primärschlamms eingesetzt werden. Auch die Umstellung von einer aeroben Schlammstabilisierung auf eine Teilstabilisierung wurde erfolgreich erprobt. Diese Umstellung ging mit einer Einsparung von etwa der Hälfte des Beckenvolumens der Belebung einher, die weiterhin auf diese Weise stabil betrieben wird.
Einige der in SATELLITE entwickelten Tools sind schon jetzt einsatzbereit und können genutzt werden (bspw. OptiNETZ-Tool #plan). Das Bewirtschaftungstool OptiNETZ-Tool #live wird mit Abschluss des Projekts genutzt werden können. Für die Modulbibliothek wird es im Laufe des Projekts weitere Workshops zur Modelbibliothek geben. Schon jetzt ist sie für einfache Verfahrensvergleiche nutzbar und wird mit Abschluss des Projekts der Öffentlichkeit in vollem Umfang zugänglich sein. Ebenso wird das Energiemodell für Beratungszwecke auch nach Projektabschluss zur Verfügung stehen. Der Prototyp für das Nährstoffmanagement-Tool zeigt die Methodik und Herangehensweise für eine regionale Nährstoffbewirtschaftung auf und kann so sowohl die Nährstoffvertreiber als auch die Kommunen unterstützen bei der Planung unterstützen.
Die in SATELLITE großtechnisch untersuchten Betriebsoptimierungen werden von den Kläranlagen (Standorte der Projektpartner) in den Betrieb eingeführt und übernommen. Sie bilden so einen übertragbaren Fahrplan, der auch von anderen Kläranlagen übernommen werden kann. Die pilotierten Einzelverfahren werden mit dem Ziel der Marktreife weiterentwickelt. Die im Projekt mit den beteiligten Kläranlagen generierten Erkenntnisse zur Schlammqualität, Logistik, Stickstoffrückgewinnung und dezentraler Trocknung finden Eingang in die Planungen des Recyclingzentrums.